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Textfetzen und Schriftstücke

Gedichte

Eindrücke, Herzmomente, das Spiel mit der Angst

Ob es eine berührenden Autorenlesung ist, das Bild einer brennenden Kirche, die Sorge um unseren Erdenball oder die Pandemie - jedes Gedicht ist eine Momentaufnahme meiner Gedanken für euch in Worte gefasst.

nachts

nachts ... anders hinsehen, genauer hinsehen, hinsehen ...

nachts

nachts sind alle Menschen grau
gelbe, braune, schwarze, weiße
treten ins selbe Häufchen Scheiße
die dicken, die dünnen, die großen, die kleinen
mit langen oder mit kurzen Beinen
nette, liebe, krumme Hunde
alle grau zu später Stunde

nachts sind alle Menschen grau
diverse Männer, alle Arten von Frauen
sind gar nicht so fremdartig anzuschauen
die, die schleichen, und die, die rennen
die Freunde haben, die niemanden kennen
der eine gibt nichts, der andre gibt acht
alle grau im Schatten der Nacht

nachts sind alle Menschen grau
die, die suchen, die, die finden,
sich an den schnöden Mammon binden
die lieben, die sehnen und sich küssen,
die durchatmen, draußen rauchen müssen
die, die den Liebsten zu lange vermisst
alle grau, wenn es dunkel ist

nachts sind alle Menschen grau
die Linken, die Rechten und die dazwischen
wollen doch nur ein Bierchen zischen
die, die schnell nach Hause eilen,
vor Einsamkeit dann doch verweilen
die, die verzweifeln am Leben, am Sein
alle grau nachts im Mondenschein

wie sie denken, wo sie steh´n
wen sie lieben, wie weit sie geh´n
was sie hoffen, worum sie fleh´n
gut Mensch sich über Gleichheit freut
der böse Wicht das Licht wohl scheut
nachts sind alle Menschen grau
glaubst du bei Tag, da weißt du´s genau?

Andrea Timm, 22. Mai 2024

nicht ohne dich

Maria Zum Ökumenischen Gemeindefest in Münsters Westen durfte ich ein Gedicht verfassen und im Rahmen des Kulturprogramms bei dem Fest vortragen. Passend zu den einzelnen Strophen habe ich Bilder bei pixabay ausgewählt. Neugierig geworden? Hier geht es zu den einzelnen Strophen mit Bildern:

Maria Krieg Klima Ökumene Miteinander

Das komplette Gedicht findet ihr hier: nicht ohne dich

Brüssel weint

Brüssel weint


... „Brüssel weint” – Acrylbild von Angelina Wendt, entstanden am Tag der Attentate von Brüssel ...




Brüssel weint





... "Brüssel weint" - ein Gedicht, entstanden an dem Tag, als ich hörte, was es mit dem Bild auf sich hat ...










Brüssel weint

in nur wenigen Stunden
... wird der Alltag zu Katastrophe
... bersten Scherben in tausend Stücke
... schreien Suchende, wimmern Verletzte
... überall Schutt und Asche
BRÜSSEL WEINT


unendlich lange Stunden später
... sind die Toten gezählt
... sind die Spuren gesichert
... hat sie Gewissheit, dass ihren Liebsten nichts passiert ist
UND BRÜSSEL BEGINNT ZU TRAUERN


noch Jahre danach
... kann man die Spuren der Tat erahnen
... denkt man mit Schrecken daran zurück
... wählt eine junge Frau den Tod, weil sie nicht vergessen kann
UND BRÜSSEL LEBT MIT DER ERINNERUNG

Andrea Timm, 12. Januar 2023

5 Gedichte - ein Zyklus

5 Gedichte ... ein Experiment im Deutsch LK ...
Wenige Wochen vor der schriftlichen Abiturprüfung ließ sich der Deutsch LK des Gymnasium Paulinum auf ein Experiment ein. So analysierten und interpretierten die Schülerinnen und Schüler diesen Gedichtzyklus nach allen Regeln der Kunst - und bekamen den Vergleich mit den Gedanken der Verfasserin sofort live und in Farbe geliefert. Ein faszinierendes lyrisches Beisammensein, welches mir großen Spaß gemacht und mich sehr beeindruckt hat. Dieser Kurs braucht in der Abiturklausur keine Angst vor der Frage zu haben, was ein Schreiberling wohl mit seinen Texten sagen will.

Auf der Zugspitze/ Hurra! Fünf meiner Gedichte sind justamente in dem Gedichtband Auf der Zugspitze veröffentlicht worden.

hier zu bestellen

unerfüllte Liebe

Angst ... stundenlang aufs Meer geschaut, Wellen bestaunt, Gedanken wandern lassen ...

unerfüllte Liebe

Dein Säuseln beruhigt
meine Seele,
meinen Geist,
meinen Herzschlag,
lullt mich mit Weite und Sehnsucht ein.
Doch kann ich deine Kälte kaum ertragen.

Dein Farbspiel lädt ein,
dir zuzusehen,
dich anzuschauen,
dich zu berühren,
meine Träume in die Ferne schweifen zu lassen.
Doch habe ich dich nie für mich allein.

Deine Wellen umfangen
schaukeln,
erfrischen,
erfreuen mich,
spülen Erinnerungen an den Strand.
Doch bleibst du am Ende ohne mich hier.

Andrea Timm, 2. Mai 2023

der lange Arm der Angst

Angst ... was die Angst mit uns macht, macht mir Angst ...

der lange Arm der Angst

Nicht mal 2 ml durchsichtige Flüssigkeit machen den Unterschied
zwischen Atemnot und leichtem Husten
zwischen Onlinetreffen und echten Kontakten
zwischen Abschied und Heilung.
Die Angst davor, schwer krank zu werden, hat uns fest im Griff.

Nicht mal 2 ml durchsichtige Flüssigkeit können alles enthalten:
genetische Baupläne, winzige Bots,
die nächste Mutation,
den Tod.
Die Angst davor, Spielball der Macht zu sein, greift um sich, ist schwer zu greifen.

Nicht mal 2 ml durchsichtige Flüssigkeit lassen Menschen auf die Straßen ziehen,
lassen Freunde aneinander zweifeln.
ein Knacks, ein Riss, ein Bruch
Im Moment brennt meine Coronakerze gegen die Angst vor den Scherben,
die es nicht hätte geben müssen.

Andrea Timm, 16. Januar 2022

Regen

Regen ... warum wir uns das Wetter nicht aussuchen können ...

Regen

Es tropft, es prasselt, es schüttet, es gießt,
das Wasser aus den Toren des Himmels fließt.
Es klopft, es tropft, es plätschert und platscht,
wenn das Wasser vor uns auf den Boden klatscht.

Der Blick auf dem Boden, die Gangart gehetzt.
Wir brauchen den Regen – doch bitte nicht jetzt!

Grillparty, Radtour, ein Glas Wein vor der Tür,
wandern, laufen, im Garten ein Bier.
Wir brauchen den Regen – doch bitte nicht hier!

Sonne vom Dach, der Solarstrom macht´s.
Wir brauchen den Regen – doch bitte nur nachts!

Sonne im Urlaub, der Strand voller Leute.
Wir brauchen den Regen – doch bitte nicht heute!

tausend Wünsche – ein Wort
Den Preis zahlt die Erde
– und verdorrt.

Andrea Timm, 20. Mai 2020

Herz in Flammen

Herz in Flammen ... wenn Nachrichten Erinnerungen wecken ...

Herz in Flammen

Inmitten von Fremden in gotischer Pracht
verbrachte ich einst die Osternacht.
Mitten im Herzen berührt mich Paris,
seine Schönheit, die Seine, son esprit.

So traf die Erinnerung brennender Schmerz
durch Fernsehbilder mitten ins Herz.
Die lodernden Flammen von Notre Dame
verwunden Paris, seine Seele, son âme.

Mahnend erhebt sich der stolze Bau
und trägt sein verbranntes Dach zur Schau.
Mitten im Herzen der Stadt ein Skelett,
schwarz, verrußt, überhaupt nicht adrett.

Wir bauen Großes, wir reißen es ein.
Mensch fühlt sich mächtig und ist doch so klein.

Andrea Timm, 27. Mai 2020

Die 4. Kerze

Die 4. Kerze ... Zuversicht in skurrilen Zeiten ...

Die 4. Kerze

Sie kann noch ein bisschen durchhalten – unsere 4. Kerze.
Acht Zentimeter im Durchmesser und kaum heruntergebrannt.

Sie kann noch ein bisschen brennen – unsere 4. Kerze.
Für die, die helfen, forschen und entscheiden müssen.

Sie kann noch ein bisschen Licht sein – unsere 4. Kerze.
Für die Ängstlichen, die Kranken, die Ungeduldigen.

Jeden Abend ein paar Minuten kann sie uns geben, was fehlt,
wenn Kirchen geschlossen sind und Menschen sich seltener begegnen.
Und es ist zum Glück nicht die einzige 4. Kerze, die ich noch verwahrt habe.

Andrea Timm, 18. März 2020

Adventslicht

Adventslicht ... zur Besinnung kommen ...

Adventslicht

Den Advent mit Freunden verbringen,
beim Glühweinkonzert gemeinsam singen,
auf dem Hof hier im Dorf den Nikolaus grüßen,
Orchestermusik und Gemeinschaft genießen ...
Doch so wird er nicht sein, dieser Advent,
vieles wird anders, als man es kennt.

Geschenke besorgen und hübsch verpacken,
im Familienkreis hunderte Plätzchen backen,
hektisch durch die Läden rennen,
sich am Adventspunsch die Lippen verbrennen.
Doch Straßen und Marktplatz fast menschenleer,
davon wird´s mir im Herzen schwer.

Vorfreude auf das Weihnachtsglück?
Vorfreude, komm zu uns zurück!
An andere denken,
Telefonzeit verschenken,
jedes Päckchen, jedes Licht
- eine Handvoll Zuversicht.
Das Kind in der Krippe will uns sagen,
es ist an der Zeit, Hoffnung zu wagen!

Andrea Timm, 11/2020